Auf ihrem langen künstlerischen Weg hat Linde mit der „Mitgift der Prinzessin von Trapezunt“ den bisher reifsten und tiefsten Ausdruck ihrer Kreativität erreicht. Wir waren vertraut mit dem variablen Spiel der Formen, der Kompositionen, der Zeichnungen, Zeichen und Farben, die schon immer Lindes Arbeiten ausgezeichnet haben. Im Projekt Trapezunt aber erfahren wir einen substanziellen Wandel ihrer Vorgehensweise.

Ihre Motivation ist hier ausdrücklich weniger von der Form als vom Inhalt her bestimmt. Während ihre Kompositionen bislang ganz auf sich selbst bezogen waren, sind die sieben Säulen ihrer jüngsten Arbeit von der Kraft der Legende einer mythischen Geschichte geprägt, leben von den Symbolen und vom Zauber einer reichen Imagination. Die romantische Geschichte der Prinzessin, ihre Heldentaten, ihre Reise in unbekannte Ferne liefern Linde den Stoff, aus dem ihre sieben neuen Figuren geformt, ja deren Performance gebildet sind, als wären sie die Darsteller eines Dramas in sieben Szenen, die Protagonisten einer verschollenen Komödie. So stellen diese Gebilde, die zugleich modern und mittelalterlich anmuten, aufeinander bezogene Fetische dar, deren einzelne Teile, Materialien und Farben ihnen jedoch ihre je eigene Präsenz und individuelle Bedeutung geben auf ihrer gemeinsamen Reise in die Unendlichkeit der Zeit. In der Tat handelt es sich um die Aussteuer von Esther, Tochter der Kaiserin Johanna, mit ihren Juwelen, Parfumkaraffen, Amphoren, Pokalen, allesamt Glücksbringer einer imaginären Karawane, die sie vom Schwarzen Meer in den unbekannten Westen führen soll, um den jungen König von Portugal zu treffen. Ein Bild des Orients und ein Bild des Okzidents sind die beiden Elemente, die Linde in ihrem Projekt miteinander verbindet. Sie nehmen die Gestalt von sieben Säulen an, jener sieben Gaben, welche die Kaiserin ihrer Tochter anvertraut als sie mit dem Schiff zu ihrer großen Reise ohne Wiederkehr aufbricht. Die sieben Gaben stellen die sieben Städte ihres Königreiches dar, die Linde Burkhardt nun in ihrem Projekt gestaltet hat, jede mit ihrem Namen bezeichnend. Diese ausdrucksstarken Säulen sind Linde zugleich Anlass und Mittel, ihr ästhetisches Credo und sich selbst mitzuteilen. Ein wohlmotiviertes Projekt!

Bilder der Ausstellungsstücke